Bemerkung über Carl Maria von Webers Oper „Oberon“ in Leipzig (29. Dezember 1826)

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Leipzig, Freitag den 29. Dezember 1826.

Bemerkungen über K. M. v. Weber’s Oberon, geschrieben nach der zweiten Darstellung der Oper auf dem Leipziger Stadttheater.

(Eingesandt.)

Seit Erscheinung des Freischütz, wodurch Weber besonders seinen Ruf als dramatischer Komponist zu gründen anfing, sind so verschiedenartige Urtheile über diesen grossen Genius gefällt worden, dass nun Ref., ehe er zu seinen Bemerkungen zum Oberon übergeht, auch sein Urtheil über das Karakteristische dieses Geistes erst darlegen will. – Wenn der wahre dramatische Komponist ein solcher ist, der nicht darauf ausgeht seine Individualität überall geltend zu machen, (wie viele italische Komponisten zu thun pflegen) sondern der sich, so viel wie möglich, aufzugeben weiss in fremden Karakteren, sich ganz in seinen Dichter versenkt, und auf diesem Standpunkte, in diesem Geiste seine Werke schafft; der es verschmäht, durch übermässige Rouladen und Tonsprünge das Ohr zu kitzeln, ohne | das Herz zu ergreifen, der das Element ganz in seiner Gewalt hat, in welchem sich sein Genius bewegt, der bestimmt und karakteristisch in Tönen ausspricht, was er will, der sowol im technischen als ästhetischen Theile seiner Kunst ganz einheimisch ist, der weder die Harmonie der Melodie, noch die Melodie der Harmonie aufopfert, kurz, der psychologisch wahr jede Saite des Gemüths anzuschlagen weiss – dann nehmen wir kein Bedenken, K. M. v. Weber für einen ächt dramatischen Komponisten zu halten, der wohl verdient, neben einen Gluck, Mozart, Cherubini gestellt zu werden. In ihm ist jenes Ideal eines wahren dramatischen Komponisten, eines kunstvollen Seelenmalers in grosser Vollkommenheit realisirt, sein Gesang ist innige Empfindung eines singenden Gemüths, sein Losungswort ist – Wahrheit; dies zeigt sich unverkennbar in seinen klassischen dramatischen Werken, besonders auch in seinen Gesangkompositionen mit Pianofortebegleitung. Um Weber’s Kompositionen zu empfinden, und nachzufühlen was er gefühlt, dazu gehört nicht, wie man oft meint, grosse gelehrte Kenntnis vom technischen Theile der Kunst, nein – ein reines, unverdorbenes Gemüth, ein Griff, der sich in verschiedene Karaktere hineinzudenken vermag – nur das sind die Haupt-Erfordernisse, um des Meisters Tonweisen zu geniessen.

Wirft man ihm z. B. in seiner, leider noch nicht allgemein anerkannten Euryanthe (wovon der oft verworrene Text nach unserer Ansicht die Hauptursache ist) – Ueberladung, Erdrücken der Melodie unter die Harmonie vor, so glauben wir behaupten zu können, dass Weber in Hauptzügen von seiner betretenen Bahn in keinem seiner Werke abgewichen sei. – Es ist ein schöner Weg, durch wenige Mittel viel zu wirken, aber gewiss ein ebenso guter, mit vielen Mitteln viel zu wirken; und wie oft wandelte nicht ein Beethoven, Mozart (wenn man die Zeit bedenkt, wo er schrieb) auf dieser Bahn? Wenn unser Weber oft viel Mittel braucht, um seinen Zweck zu erreichen, so sehe man dies doch nicht für Ueberladung an, und bedenke, dass in jenem Werke (Euryanthe) die Leidenschaften oft auf den höchsten Gipfel steigen, dass der Komponist sich natürlich auch bewogen fühlen musste, die stärksten und kräftigsten Mittel zu gebrauchen, um jene energischen Karaktere (Lysiart und Eglantine) mit grösster Wahrheit in’s Leben zu rufen. Scheint es ferne, als ob in diesem Werke zuweilen die Melodie unter der Harmonie erliege, so trägt die grösste Schuld der begleitende Theil, das Orchester; es spiele ¦ dieses nur immer mit gehöriger Diskretion (in der umfassendsten Bedeutung des Worts) und jene vermeinte Erdrückung der Melodie unter der Harmonie wird schwinden, die Melodie wird in lichter Klarheit hervorstralen. Man studire Weber’s Kompositionen mit Besonnenheit, und unverkennbar wird sich zeigen, dass seine Mittel seinen Zwecken völlig angemessen sind, dass karakteristische Durchführung überall hervorleuchtet; und dies ist denn auch nach unserer Ueberzeugung in seinem leider letzten Werke, dem Oberon der Fall; er geht nicht – wie man hie und da meint – in seinem Schwanengesang einen andern Weg, indem er hier mit wenigern, einfachern Mitteln wirkt; nein – auch hier bleibt er auf dem von ihm als wahr erkannten Wege. – Er rollt mit dem Donner, braust mit dem Sturme, tobt mit dem Meere; – er schildert uns in der Rezia mit ergreifenden Tönen innige, hingebende Liebe; im Karakter des Hüon ritterliche Treue, Muth und Entschlossenheit; (würdige Seitenstücke zu den Karakteren einer Euryanthe, eines Adolar) er realisirt uns im Oberon und seinen Geistern ein ideales Reich mit frapanten, karakteristischen Zügen; – wo es grosse Zwecke zu erreichen gilt, wo die Leidenschaften gewaltig erregt werden sollen, da tritt er auch mit gewaltigen Mitteln auf – malt aber auch sogenannte Mittelkaraktere mit einfachern Tonmitteln, und greift mit zarter Hand in die geheimsten Saiten menschlicher Empfindung.

Ueber den Text der Oper hier ausführlich zu reden, kann nicht in unserm Plane liegen, eben so wenig kann es unsere Absicht sein, über das Wesen der romantischen Oper hier zu raisonniren. Wir verweisen daher nur auf einen frühern Aufsatz, den wir an dieRedaktion gesendet haben, u. der im 42. Stück dieser Zeitung vom 18. Okbr. 1826 abgedruckt ist, unter dem Titel: „Ein Wort über die romantische Oper und L. Spohrs Berggeist insbesondere, (von Gon)“; wir bemerken daher nur, dass Weber sich diesen Stoff selbst gewählt, Planché ihn nach der Sothebyschen Uebersetzung von Wielands Oberon zur Oper bearbeitet und Th. Hell diese Bearbeitung ins Deutsche übertragen hat. Weber arbeitete nach dem englischen Texte (doch wir wollen den Uebersetzer selbst reden lassen, siehe Vorrede zum Textbuche): „Es vergönnte mir mein verehrter Freund den Auszug der Noten für den Gesang, sobald ein oder das andere Musikstück von ihm vollendet war; ich ordnete die Unterlegung meines Textes darnach an, legte ihm diesen vor, besprach mich mit ihm darüber, behielt bei, oder änderte nach seinen Bemerkungen, bis die deutschen Worte ihm | nun selbst dem Ausdrucke seiner Töne so angemessen schienen, als es die schwache Kraft des Uebersetzers nur immer vermochte.“ —

Wer nun Sinn für Wielands unübertrefflichen Oberon hat und ihm Geschmack abgewinnt, der wird auch zugestehen, dass die Bearbeitung dieses Stoffs zur Oper, unserm Dichter bei weitem mehr gelungen ist, als dieselbe Bearbeitung, welche Wranitzky in Musik gesetzt hat; man wird ferner zugestehen müssen, dass auf der Leipziger Bühne viele ideale Schönheiten des Wielandschen Gedichts sehr gelungen verwirklicht worden sind; hingegen im Textbuche doch Manches verlangt wird, was schwerlich mit Glück und Geschmack wird hergestellt werden können; dazu rechnen wir z. B. die Scene, wo der Geist Puck die andern Geister zitirt, welche denn aus der Luft, Erde u. s. w. erscheinen und FF den originellen Chor anstimmen sollen: „Wir sind hier u. s. w.“ Ref. schlägt folgende Aenderung vor: die Elementargeister nämlich nicht erscheinen, sondern den kräftigen Chor auf verschiedenen Seiten hinter der Bühne, also unsichtbar ertönen zu lassen; wir glauben, die Wirkung wird erschütternder sein, als in Leipzig, wo zwar auch keine lebendigen Geister erschienen, statt dieser aber ekelhafte feurige Fratzen aus Felsen von Zeit zu Zeit hervorkuckten, wodurch aber eine falsche Wirkung hervorgebracht wurde; so kommen denn noch einige Luftfahrten u. s. w. vor, die in der Idee (wie in obigem Aufsatze dargethan ist) schön ausgemalt werden können, jedenfalls aber verlieren, wenn sie in der Sinnenwelt realisirt, dem Auge vorgeführt werden. Es lässt sich noch einiges Andere gegen den Text und dessen Durchführung sagen, was uns hier zu weit führen würde. Man sei aber billig und bedenke die ungeheuren Anfoderungen, welche an einen Operndichter gemacht werden, und ungeachtet der Mängel rechnen wir ihn doch immer zu den bessern Operntexten. —

Doch jetzt zur Aufführung der Oper selbst. Was die Ouvertüre betrifft, so glauben wir, dass sie den Zweck völlig erreicht, den sie erreichen soll, nämlich den Zuhörer in die rechte Stimmung zu versetzen, die nöthig ist, um in den Geist der Oper eingeführt zu werden; ein Adagio sostenuto ed il tutto pianissimo possibile, in dem uns die lieblichen Klänge des ersten Elfenchors entgegenklingen, dient zur Vorbereitung des freudigen Allegro, in welchem mehrere Gedanken aus der Oper selbst geschmackvoll verwebt sind. Das Orchester führte sie trefflich durch, und das Publikum nahm sie mit ungemeinem Beifall auf. Der Vorhang rauscht auf, aber anstatt die im Textbuche Hells angedeutete Halle in ¦ Oberons Pallaste zu erblicken, wo goldne Säulen verheissen werden, die mit silbernen Lilien umwunden sein sollen, wo man durch goldnes Gitterwerk im Hintergrunde in einen Garten mit Springbrunnen sehen soll, der von der untergehenden Sonne beleuchtet wird, erschaute man (wenn Ref. sich nicht irrt) den weltbekannten, aber schönen Pallast des Berggeistes aus Spohrs Oper gleiches Namens – dies ist zu verzeihen – aber gerügt muss werden, dass nun fast in demselben Geisterpallaste auch im dritten Akte Almansor, Emir von Tunis, residirte! – Also in diesem Pallaste erscheinen zu Anfang der Oper die zarten Elfen, welche pp den Chor: „Leicht wie Feentritt nur geht“ anstimmen; er ist mit Solo’s verbunden und ohne Bässe gesetzt, wodurch der Gesang einen ganz eignen milden, lieblichen Anstrich bekommt. – (lauter Beifall.) – Oberon tritt in grösster Bewegung auf und singt seine ergreifende Arie in C-moll: „Schreckensschwur.“ – Diese Partie, welche Weber für Tenor gesetzt hat, wurde hier, natürlich nicht gerade zum Vortheil der Komposition, von dem Bassisten Herrn Genast gesungen, welcher übrigens seine Rolle sehr brav durchführte und Beifall errang. Die einfache Vision der Rezia wurde von Dem. Canzi sehr schön vorgetragen. Der nun folgende Elfenchor mit durchflochtenen Solo’s des Oberon, Hüon und Scherasmin "Ehre u. s. w.“ würde noch mehr auf das Publikum gewirkt haben, wenn er stärker besetzt gewesen wäre; überhaupt waren die Chöre: besonders der prächtige Schlusschor viel zu schwach. – Die leidenschaftliche Arie des Hüon (Hr. Vetter) können wir nicht ohne allen Tadel erwähnen; zwar führte der achtbare Sänger seine schwierige Aufgabe im Ganzen sehr wacker durch, doch hätten wir ihm zuweilen etwas mehr Kraft gewünscht, auch würde er noch mehr auf uns gewirkt haben, wenn seine Rouladen auf Sieg etwas leichter und deutlicher herausgekommen wären. Das folgende Andante con moto in dieser Arie gelang dem Sänger vorzüglich, desto schlechter spielte aber der Violoncellist das Ritornell zu diesem Andante; überhaupt hat Ref. nun schon einige Mal dergleichen Meisterstückchen von ihm gehört. – An diesen Satz schliesst sich ein un poco più moto, das nach unserm Dafürhalten etwas zu sehr pesante genommen wurde, der Sänger fühlte dies wohl, denn er sang poco a poco schneller. (Allgemeiner Beifall wurde ihm zu Theil.) Statt dieser herrlichen Arie hat Weber für Braham in London eine andere komponirt; der Komponist hielt die erstere für karakteristischer für den biederherzigen Hüon und wünschte deshalb, | dass diese in Deutschland, jene nur in London figuriren solle; wäre nicht sehr zu wünschen, dass die Leipziger Direktion auch diese Arie, welche in London mit grossem Beifall aufgenommen worden ist, sich zu verschaffen suchte, und dass Herr Vetter dann, (wenn auch gegen den Wunsch unseres Weber) das deutsche Publikum recht bald damit erfreute?* — Das Finale des ersten Akts eröffnet die Rezia mit Recitativ und Arie, die gewiss nie ihre Wirkung verfehlen wird, wenn sie auch wirklich nicht so schön vorgetragen werden sollte, wie es von der lieblichen Canzi hier geschehen ist. Ein kleiner Satz der Fatime (Mad. Devrient) leitet zu dem freudigen Duett der Rezia und Fatime, woran sich denn der originelle Chor der Sklavinnen und der Haremswache mit obligatem Soprane (Rezia) schliesst, der wirklich von einziger Wirkung ist, besonders durch die leise Begleitung der türkischen Musik hinter der Bühne. (Beim Fallen des Vorhangs rauschender Beifall.)

Den 2. Akt beginnt ein imposanter Sklavenchor, der aber auch stärker besetzt sein muss, als es hier der Fall war. Ref. hält diesen Chor in seiner Art für eben so karakteristisch und gelungen, wie den bekannten Türkenchor in Mozarts Entführung; er wurde mit lautem Beifall aufgenommen, der auch der folgenden innig empfundenen Ariette der Fatime: „Arabiens einsam Kind u. s. w.“ zu Theil wurde. – Hierauf wird das schöne Quartett: „Ueber die blauen Wogen u. s. w.“ von Hüon, der Rezia, dem Scherasmin (Hr. Fischer) und Fatime gesungen, welches brav ausgeführt, allgemeinen Beifall erhielt; es gehört diese Komposition zu denjenigen Tonstücken, welche, auch aus der Oper herausgerissen, gewiss das Herz eines jeden gebildeten Zuhörers ergreifen. – Die Scene wird geändert, der Geist Puck (Dem. Erhart) erscheint, welcher die Elementargeister zitirt. Weber hat diesen Karakter für die Altstimme gesetzt, und unser Ton-Meister zeigt hier wieder deutlich, was er im Gebiete des Romantischen zu wirken vermag, besonders in dem Chore der Elementar-Geister (presto agitato.) Das Orchester war trefflich, doch hat uns Dem. Erhard in dieser Rolle nicht sonderlich zusagen wollen, obwol sie gewiss ihr Möglichstes leistete; ebenso muss, wie schon erwähnt, der Chor, zumal wenn er unsichtbar erschallt, sehr stark besetzt sein, um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen. Die sich hier anschliessende Musik zu dem Brausen des Meeres, zu dem Geheul des Sturmes will nicht beschrieben, sondern gehört sein. – Die folgende Preghiera des Hüon ist tief empfunden und wurde vom braven Vetter vollendet vorgetragen, es konnte daher nicht fehlen, dass ihn das Publikum mit ¦ Beifallsbezeugungen überschüttete.— Wir kommen jetzt zu der Hauptpartie der Rezia, zu der grossen Scena ed Aria: „Ocean du Ungeheuer!“ Obwol nicht zu leugnen ist, dass Dem. Canzi alle ihre Kräfte aufbot, dem Ideale des Komponisten nahe zu kommen, so glauben wir doch, dass diesem vollendeten Tonstücke, was alle Kräfte in Anspruch nimmt, in dem die grösste Erhabenheit mit banger Furcht, erschütternder Schreck, mit freudiger Hoffnung, niederschlagender Kummer, mit höchster Freude wechseln, nur wenige Sängerinnen vollkommen gewachsen sind, und unter den uns bekannten, glauben wir, dass nur die berliner Schulz diese Rolle ganz so wiedergeben kann und hoffentlich bald wird, wie sie sich wol unser genialer Weber gedacht haben mag; übrigens erhielt Dem. Canzi verdienten Beifall. – Das Finale dieses Aktes ist meisterhaft, es wird mit dem höchst lieblichen Gesange zweier Meermädchen eröffnet, welcher durch einfache Hornbegleitung sehr gehoben wird; an ihn schliesst sich ein origineller Geisterchor, in welchem Weber eine sehr vortheilhafte Textänderung vorgenommen hat; statt der Worte Hells:

„Flink und leicht,“
„Froh und flink,“

wählte Weber: das Wort: „wohlgemuth;“ er wirkte ganz eigen auf das Publikum, welches bei’m Fallen des Vorhangs in stürmischen Beifall seine Freude ausliess.

Das erste Tonstück im 3ten Akte ist das von England und mit Recht so gerühmte Andante con moto nebst Allegro der Fatime: „Arabien mein Heimathland etc.“ welches auch von Mad. Devrient schön vorgetragen wurde, und mit dem darauf folgenden Duett (Scherasmin und Fatime) allgemeinen Beifall errang. – Das Terzettino (Hüon, Scherasmin und Fatima) eine Preghiera an den Oberon, kann nirgends ihren Eindruck verfehlen; sie ist zwar ein Terzettino der Länge, aber ein Terzett ihrem innern Werthe nach, und das kleine Tonstück will gesungen sein, so leicht es vielen aussehen mag. – Mit tiefem Gefühl trug Dem. Canzi die rührende Kavatine der Rezia: „Traure mein Herz etc“ vor, welche sie am Schlusse mit einem sehr geschmackvollen Zusatze verzierte. Allgemeiner Beifall krönte sie, wie auch Herrn Vetter, welcher das folgende Rondo: „Ich juble etc.“ ebenfalls vortrefflich sang. Das Ballet und Chor mit Hüon ist so eindringlicher, lieblicher und leichtfasslicher Natur, dass es gewiss bald zu allen möglichen Tänzen etc. umgetauft erscheinen wird; einen herrlichen Kontrast bildet gegen diese lieblichen Weisen der entrüsteten Hüons Gesang. (Rauschender Beifall.) – Von wahrhaft komischer Wirkung | ist der Anfang des Finale, wo die Muhamedaner durch Oberons Horn die Tanzwuth bekommen; das einfache Hornthema wird mit verschiedenen Modificationen fortgeführt, auch nachdem die wüthenden Tänzer sich entfernt haben und Hüon, Rezia, Scherasmin und Fatima im Quartett für des Hornes Macht, wodurch sie befreit sind, dem Oberon danken, welcher in dem folgenden Allegro furioso bei Donner und Blitz angekündigt, bei’m dolce mit seiner leider stummen Titania als versöhnt in Wolken erscheint, und einen für den Sänger sehr dankbaren Gesang anstimmt, der besonders bei der glanzvollen Beleuchtung gewiss immer beifällig aufgenommen werden wird, zumal das „Lebewohl“ am Ende.

Die Scene wird geändert und bei einem pompösen Marsche ziehen Wachen, Edle und Damen in den Pallast Karls des Grossen ein, welcher den Hüon nebst seiner Braut, leider auch stumm, willkommen heisst; ein prächtiger Chor zum Lobe des Hüon und der Rezia (der aber viel zu schwach besetzt war) schliesst die Oper. —

Dies über die einzelnen Pieçen, zum Schluss noch einige Bemerkungen: Was die Besetzung der Rollen betrifft: so erinnern wir noch Folgendes: über den Oberon und Puck haben wir im Allgemeinen unser Urtheil abgegeben; der Geist Droll (Sprechrolle) in Dem. Lauber besetzt, hat uns nicht erbaut; Hüon sang seine Partie im Ganzen trefflich, nur Schade, dass er etwas zu kleiner Statur ist; auch hat uns sein Kostüm nicht gefallen wollen; dessen Knappen Scherasmin sang und spielte Herr Fischer karakteristisch; den Harun al Raschid (eine unbedeutende Sprechrolle) gab der treffliche Bassist Hr. Köckert; dessen Tochter Rezia, wie bekannt, Dem. Canzi, die in mehreren Pieçen ausgezeichnet war; die Fatime sang und spielte besonders Madame Devrient mit allgemeinem Beifalle; die alte Namuna, der Fatime Base (Sprechrolle) war von Mad, Köckert zu jugendlich gehalten, und in sofern als verfehlt anzusehen. Der Babekan (Sprechrolle) war von Herrn Burghardt besetzt, den Almansor spielte der rühmlichst bekannte Herr Stein und als Raschana, dessen Gemahlin, erwarb sich Mad. Miedke durch ihr Spiel rauschenden Beifall; die andern unbedeutenden Rollen lassen wir unerwähnt. Uebrigens muss man der wohllöblichen Theaterdirektion zugestehen, dass sie fast unter allen deutschen Direktionen stets bemüht ist, die Meitserwerke neuerer Komponisten zuerst in die Scene zu setzen, und zwar, besonders den Oberon, mit einer Pracht die zu bewundern und mit einem Fleisse, der sehr zu loben ist, jedes wirkende Mitglied sucht nach Kräften das ge¦niale Meisterwerk unseres zu früh geschiedenen Weber zu verwirklichen, das Orchester behauptete seinen alten Ruhm, die Kostüms waren prachtvoll und unter den Dekorationen sind mit Auszeichnnng zu nennen: sämmtliche Wolkenerscheinungen, der persische Kiosk, ein Zimmer der Rezia, wo man im Hintergrunde durch eine Balustrade in die Gärten des Pallastes, vom Mondlichte erhellt, sieht, der Saal des Harun, das wogende Meer, Roschana’s Zimmer und die Erscheinung des Oberon im letzten Akte. Die Aufführung war im Ganzen vorzüglich zu nennen, nur mögen die guten Leipziger nicht glauben, wie Ref. aus dem Munde Vieler hörte, und wie selbst im Tageblatte publice ausgesprochen war, dass kein Theater in Deutschland diese Oper so gut anfführen würde, wie hier geschehen, noch weniger würde sich eins finden, welches diese Aufführung übertreffen würde, und was die Pracht anbelangt, so wäre sie hier erschöpft und könnte nicht überboten werden – nun das sind leicht verzeihliche Redensarten – wir sind aber überzeugt, dass wenn die Direktion der Königlichen Bühnen in Berlin diese Oper in Scene setzt – und Gott gebe, zur Ehre der Kunst recht bald – dass diese Berliner Aufführung der Leipziger nicht nur gleich kommen, sondern sie auch in mehrfacher Rücksicht überbieten wird; denn was Dekorationen, Ballets, Chöre und Orchester betrifft, so möchten doch wol diese allerwenigstens die Waage halten, und was die Besetzung der Gesangsrollen anbelangt, so möchte doch wol

eine Rezia-Schulz einer Rezia-Canzi,
ein Hüon-Bader einem Hüon-Vetter,
eine Fatime-Seidler einer Fatime-Devrient,
ein Scherasmin-Devrient jun. einem Scherasmin-Fischer,
ein Oberon-Stümer einen Oberon-Genast,
ein Puk-Hoffmann einem Puk-Erhart

gleich zu stellen sein. – Doch genug, wir wünschen von Herzen, dass nun andere Direktionen recht bald sich beeifern mögen, dieses letzte Werk Webers, auf den Deutschland stolz sein könnte, in die Scene zu setzen; möge überall die herrliche Tonschöpfung mit dem Kunsteifer aufgeführt werden, wie es in Leipzig unverkennbar geschehen ist.

Halle. G. O. N.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung des Oberon von Carl Maria von Weber in London

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Berliner allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 4, Nr. 3 (17. Januar 1827), S. 19–23

Textkonstitution

  • „Raschana“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • dieRedaktionrecte „die Redaktion“.
  • „… Publikum recht bald damit erfreute?“Auf dem Theaterzettel vom 15. Juli 1827 wird angekündigt: „Herr Höfler singt im ersten Akte die von K. M. von Weber für Herrn Braham in London komponirte Arie.“ Der Vorschlag wurde also erst nach Vetters Abgang aus Leipzig von seinem Nachfolger in der Partie des Hüon aufgegriffen.
  • ,recte „.
  • Auszeichnnngrecte „Auszeichnung“.
  • anfführenrecte „aufführen“.

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